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Walter Eschweiler erzählt über das Wembley-Tor, seine Anfänge als Schiedsrichter, lamentierende Spieler, was er vom Video-Beweis hält und wie er 1966 entschieden hätte.

Herr Eschweiler, Sie waren langjähriger Bundesliga- und FIFA-Schiedsrichter und sind im Auswärtigen Amt nach wie vor mit sportdiplomatischen Aufgaben beauftragt, wie kam es bei Ihnen dazu, dass Sie die Schiedsrichterlaufbahn eingeschlagen haben?

Ich habe als Knirps selbst Fußball im Verein gespielt und mir mit 11, 12 Jahren den Fuß gebrochen, deshalb habe ich aushilfsweise aus Spaß geschiedsrichtert. Der frühere DFB-Präsident Peco Bauwens hat mich damals zufällig beim Pfeifen gesehen und gesagt: „Du bist groß, hast ein gutes Auge, Du wirst Schiedsrichter“. Da hab ich ihm gesagt: „Ach, wissen Sie, Torwart, Linksaußen und Schiedsrichter haben meistens ne Ecke ab, soweit bin ich noch nicht“. Aber das Schicksal als Pfeife mit der Pfeife nahm seinen Lauf. Und ich habe es bis zum heutigen Tage nicht bereut.

Wie sollte ein Schiedsrichter idealerweise gestrickt sein – eher autoritär oder dialogbereit?

Man sollte mit den Spielern im Verlauf des Spiels sprechen. Glauben Sie mir, Platini, Pele, Beckenbauer, Hölzenbein und wie sie alle heißen, waren wirklich keine Chorknaben, aber man muss mit ihnen sprechen, unauffällig im Vorbeilaufen. Und man sollte sich als Schiedsrichter bewusst machen, dass man der Mittler der Regeln ist – nicht mehr und nicht weniger. Ein Schiedsrichter sollte sich selbst nicht zu ernst nehmen.

Die „Unkultur“ des Lamentierens und Kritisierens der Spieler auf dem Platz, bis hin zu Rudelbildung und ähnlichem, ist in anderen Sportarten nicht so ausgeprägt wie im Fußball. Meinen Sie, das ist irgendwie einzudämmen?

Aber ja. Das ist eine Sache der Persönlichkeit des Schiedsrichters. Die Spieler wissen genau, mit wem sie das machen können und mit wem nicht. Denken Sie mal an den ehemaligen italienischen Schiedsrichter Pierluigi Collina. Der hat nur mit den Augen gerollt, da gingen die Kinder um sieben Uhr freiwillig schlafen.

Der sogenannte Videobeweis rückt immer näher: Wie sehen Sie die vermehrte Einbeziehung von technischen Hilfsmitteln?

Generell habe ich da keinerlei Bedenken. Alles, was dem Fußball, was dem schnellen Fußball-Spiel nützt, sollte durchdacht werden. Aber die Unterbrechungen im Spiel müssen gering gehalten werden. Ich sage dennoch immer wieder, entscheidend sind die vier Leute auf dem Platz.

Am 30. Juli jährte sich das WM-Endspiel zwischen England und Deutschland von 1966 zum 50. Mal und damit auch das legendäre „Wembley-Tor“. Wie haben Sie das Spiel damals erlebt?

Ich war in der glücklichen Lage, das Spiel live im Stadion in London gesehen zu haben. Diese berühmte Szene war für mich von der Tribüne aus nicht eindeutig zu erkennen. Wahrscheinlich haben es die Spieler am ehesten erkennen können, doch glauben Sie mir, die deutschen Spieler sind bis heute felsenfest davon überzeugt, dass er nicht drin war, die Engländer vom Gegenteil. Deshalb wird man es nie mit Sicherheit sagen können. Es war in jedem Fall ein historisches Tor, das immer noch diskutiert wird.

Zu ähnlich legendären Ereignissen wie dem Finale 1966 werden ja auch im Nachhinein ganze Bücher geschrieben, Fernseh-Dokumentationen gedreht, oder – wie jetzt von der Degussa Goldhandel – eine spezielle Gedenkmedaille herausgebracht. Das kommt dennoch nicht häufig vor.

Nein, aber das zeigt wie sehr das Ereignis, oder besser gesagt die Uneindeutigkeit dieser entscheidenden Szene uns bis heute fasziniert. Dass die Degussa, mit ihrem weltweiten Flair und anerkannten Namen, zum Beispiel hingeht und dieses Ereignisjetzt in Form einer Münze auf den Markt bringt, toll – diese Würdigungen hat das historische Spiel verdient.

Ihnen gefällt die Münze also?

Sehr. Ich kann mir auch vorstellen, dass sie ein Renner weltweit wird. Gerade weil sie zwei unterschiedliche Seiten – „Ball drin“ und „Ball nicht drin“ – hat und so auf die ewige Diskussion mit einem versöhnlichen Ansatz antwortet. Sie werden noch sehen, in England und weltweit wird das gut ankommen.

Letzte Frage: Wie hätten Sie 1966 entschieden?

Schwer zu sagen. Ich war nicht an der Stelle vom Schweizer Schiedsrichter Gottfried Dienst, der war übrigens ein erstklassiger Schiedsrichter. Aber er hat es nicht einwandfrei gesehen und es hat ja sofort bei der Torerzielung Proteste gegeben, das hat ihn verunsichert. Deshalb ist er zum russischen Linienrichter Tofik Bachramow gegangen. Und der hat ihm dann auf Russisch erklärt, was Sache war. Er verstand aber kein Russisch und Bachramow kein Schweizerdeutsch, das war die Problematik. Seitdem hat die FIFA festgelegt, dass sich die Schiedsrichter in einer Sprache untereinander verständigen können müssen – das erscheint mir doch mehr als sinnvoll.

Herr Eschweiler, wir danken für dieses Gespräch.

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