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Eine Gruppe ernst blickender Herren, die meisten im gehobenen Alter, alle im feinen Anzug, sitzt in einem finsteren Raum mit dunkler Holzvertäfelung an den Wänden. Sie blicken einander fragend an, halten kleine Flaggen in der Hand, murmeln etwas und senken nacheinander die Flaggen – diese Szene könnte in einem Mafia-Film aus Hollywood vorkommen. Tatsächlich wird hier jedoch ein Prozedere beschrieben, welches so oder so ähnlich jahrzehntelang stattfand und so manche Hausse und Baisse an den Edelmetallmärkten ins Rollen brachte.

Das Goldpreisfixing auf dem Londoner Goldmarkt hat sich in Zeiten des Internets grundlegend gewandelt, der „Fixing“-Prozess findet nicht mehr mithilfe von Flaggen und konspirativen Absprachen statt. Inzwischen setzt die „London Bullion Markt Association“, der Betreiber des Londoner Edelmetallhandelsplatzes, auf Transparenz – dies war auch dringend nötig, um nach anhaltenden Manipulationsvorwürfen das Vertrauen in London, die traditionsreiche Welt-Hauptstadt von Gold und Silber, zurück zu gewinnen.

Die Geschichte des Londoner Goldmarktes reicht bis in das Jahr 1676 zurück. Damals ging der Goldhändler Moses Mocatta eine Partnerschaft mit der East India Company ein, um Gold nach Indien zu verschiffen. Seine Firma ist die Vorgängerin des ältesten Mitglieds des Londoner Goldmarktes: ScotiaMocatta, eine Tochter der Bank von Nova Scotia. Etwa 70 Jahre später, im Jahr 1732, eröffnete die Bank of England den ersten Edelmetalltresor in London. Zu diesem Zeitpunkt wurden bereits fast zwei Drittel der weltweiten Goldproduktion über London umgeschlagen. Die Bedeutung von London als Welthauptstadt des Goldes wurde im Jahr 1817 weiter verstärkt, als die Royal Mint die ersten Gold Sovereign Münzen prägte.  Seit 1871 akzeptiert die Bank of England die bis heute gängigen 400 Unzen Barren als Rohstoff-Reserven.

Die eigentliche Geburtsstunde des Londoner Edelmetallmarktes wird jedoch auf das Jahr 1897 datiert. Damals fand das erste Silberfixing im Londoner Büro von Sharps & Wilkins mit den Händlern Mocatta & Goldsmid, Pixley & Abell und Samuel Montagu & Co. statt – die heutige Degussa-Tochter Sharps Pixley entstand durch die Fusion der zwei führenden Goldhändler Sharps & Wilkins und Pixley & Abell. Der tägliche Prozess, welcher von Brokern, Bergbauunternehmen und Juwelieren zum Handel und zur Preisgestaltung verwendet wurde, blieb über ein Jahrhundert unverändert. 1919 fand dann auch das erste Gold-Fixing statt, diese legendäre Zeremonie trug sich in dem eingangs beschriebenen holzgetäfelten Raum in den Büros der NM Rothschild & Sons AG zu. Händler, die sich im Raum trafen, hatten jeweils kleine „Union Jack“-Flaggen in der Hand, um ihre Preisfestlegung zu symbolisieren.

Die vergangenen vierzig Jahre waren besonders spannend für die Entwicklung des Londoner Goldmarktes: Während im Jahr 1985 die London Metal Exchange ihren Gold-Futures-Markt nach nur drei Jahren wegen mangelnden Interesses inländischer Investoren und Spekulanten geschlossen hatte, wurde im Jahr 1987 von der Bank of England die „London Bullion Market Association“ (LBMA) als internationale Handelsvereinigung gegründet, welche den Londoner

Gold- und Silbermarkt vertritt und beaufsichtigt. Wenn vom „London Bullion Market“ die Rede ist, wird damit üblicherweise der Handelsplatz für physisches Gold und Silber gemeint, der durch die LBMA organisiert wird. Diese Institution ist von der London Metal Exchange (LME) getrennt, welche Optionsscheine und Futures-Kontrakte auf Edelmetallbasis handelt.

Die Zeiten der Miniatur-Flaggen sind längst vorbei. Bereits 2004 wurde der Fixing-Prozess auf eine Telefonkonferenz umgestellt. Im Jahr 2014 folgte die nächste Innovationsstufe, als der Silberpreis erstmals im Rahmen einer elektronischen Auktion festgelegt wurde, nachdem sich die Deutsche Bank AG aus dem alten Telefonsystem zurückgezogen hatte. Inzwischen wurde auch die Preisfindung für Platin, Palladium und Gold digitalisiert. Und im Jahr 2017 folgte die nächste Innovation: Nach mehr als 30 Jahren wurden wieder Gold-Futures an der „London Metal Exchange“ gehandelt.

Neben diesen Neuerungen steht der Londoner Goldmarkt jedoch vor einer weitaus größeren Herausforderung: Er muss seinen Ruf retten. Seit Jahren steht das Goldpreis-Fixing unter Manipulationsverdacht, es ist von illegalen Absprachen zwischen den beteiligten Banken die Rede. Die  LBMA ist deshalb damit beschäftigt, einen „Trade Reporting Service“ einzuführen, um die Transparenz im “Over-the-Counter“-Markt zu steigern. Zuvor wurde bekannt, dass sich die CME Group Inc. und die Thomson Reuters Corp. als technische Dienstleister von der Zusammenarbeit mit der LBMA zurückziehen. Und viele Marktbeobachter bezweifeln, ob es das traditionsreiche Fixing in einer Zeit, in der rund um die Uhr ein Vielfaches der tatsächlichen Goldmenge auf dem Derivatemarkt gehandelt wird, überhaupt noch braucht. Denn die Preise für Gold und Silber werden längst nicht mehr zu einem bestimmten Zeitpunkt in London bestimmt, sondern oft genug durch unvorhergesehene Verkaufsorders zu überraschenden Zeiten.

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